Mein erster Schwulenreferatsbesuch
Studentenjob
Stricher
Eine Wahlnacht im Referatsbüro
Homophobe Studies?!
Oft schon hatte ich vom Schwulenreferat des AStA und den Referenten gehört, die sich so viel auf ihren autonomen Status einbilden, dass sie sich sektschlürfender Weise, geiergleich auf alles Frischfleisch stürzen, welches seinen Fuß in ihre geheiligten Hallen zu setzen wagt.
Da ich ja nun auch seit einem
Semester an diesem rutschenden Betonklotz meine Wissenschaft betreibe,
ließ es sich auf Dauer nicht vermeiden, mein Augenmerk auf dieses
Referat zu lenken.
Das Plakat zur Semestereröffnung
am 31.10.01 kam mir gerade gelegen, wurde mir doch neben der Befriedigung
meiner Neugier auch noch Sekt versprochen.
Gesagt, getan:
Überpünktlich und
mit pochendem Herzen erreichte ich den schäbigen, hinter einem Boxenturm
rechts neben der schon etwas altersschwachen Bühne versteckten Eingang
auf der AStA-Ebene - "Na prima, noch niemand da!"
Wütend über die Unzuverlässigkeit
von Huschen und Tucken schimpfend näherte ich mich dem einzig bewohnt
scheinenden Ort dieser Ebene: dem AStA-Sekretariat.
Siehe da- hinter dem Tresen saß
jemand. Mit hochrotem Kopf fragte ich im Flüsterton nach einer Vereinigung
von homophil veranlagten Männern.
"Ach, du meinst das Schwulenreferat?"
fragte mich eine Stimme, die sehr nach Kölsch klang. Peinlich berührtes,
errötetes Nicken.
"Ja, einer von denen sitzt im
Hauptbüro und macht irgendwas schlimmwichtiges. Geh einfach mal hin
und guck nach."
Dem freundlichen Angebot der allwissenden AStA-Sekretärin (O-Ton: "schlach misch dot, isch waiß ätt nisch.") nachgehend, erreichte ich das Hauptbüro, welches eher dem Oval Office als dem AStA-Regierugssitz einer schläfrigen Provinzgesamthochschule glich.
In einem Anfall bekennenden Mutes
rief ich in die Menschenmassen:
"Wer von euch ist denn vom Schwulenreferat?"
Totenstille
In dem Augenblick, als mein Angstschweiss
ausbrach, meldete sich eine sich ein breitschultriger, gut gebauter junger
Mann, Typ Latin Lover, der mir augenblickich den Atem verschlug .
"Der Marc müsste drüben
im Schwulenreferat sitzen.", sprachs, ließ mich sabbernd stehen und
arbeitete weiter.
Nachdem ich mich nun wieder gefangen
hatte, ging ich den Weg zum Schwulenreferat zurück, dessen Tür
nun einladend geöffnet war. Freundlich wurde ich von den Referenten
empfangen, die zwar auch nicht hässlich, aber mit dem vorhin erwähnten
kaum vergleichbar waren.
Außer mir hatten auch
schon einige andere Studenten den Weg gefunden, die sich sektschlürfend,
geiergleich...
Dennoch war es ein rundum gelungener
Abend und ich nahm mir vor, die folgenden Mittwoche Nachmittags mal vorbei
zu schauen am Stammtisch teil zu nehmen und vielleicht auch aktiv an der
Referatsarbeit mit zu arbeiten.
Vater sagte immer: "Student?
- Hast wohl Angst vor richtiger Arbeit?" Aber wie so vieles in Vaters Weltbild
stimmt auch dies schon längst nicht mehr. Sparsame Eltern, weniger
BAFöG, teurere Bücher, leere Bibliotheken, sprich: jeder Euro
will drei mal umgedreht sein.
Kein Wunder also, dass eine
immer größere Anzahl von Studierenden auf den ohnehin schon
überfüllten Arbeitsmarkt drängt. Ohne spezielle Kenntnisse
wird es auch für diese immer schwieriger, einen adäquaten Job
zu finden: Schlecht bezahlte Aushilfjobs sind die Regel, es sei denn man
erwischt einen von diesen Uni-Jobs, welche allerdings recht dünn gesäät
sind.
Manch einer greift in dieser Notsituation zu dem einzigen Kapital, welches er hat: seiner Jugend und seinem schönen Körper - er verdient sein Geld als Stricher.
Von (schwulen) Studierenden mit vermeintlich hohem Bildungsnivaeau und ausgeprägtem sozialen Bewusstsein erwartet niemand, dass sie ihre Haut zu Markte tragen. Zu sehr ist das Vorurteil verankert, dass Prostituierte nur aus der sozialen Unterschicht stammen. Auch in den Erhebungen der Hochschulsozialwerke taucht dieser "Nebenerwerb" nicht einmal unter der Rubrik "Sonstiges" auf.
Marcus (28) ist seit zehn Jahren
dabei. "Nicht unbedingt ein fröhliches Jubiläum" gibt er zu.
"Zu Beginn meines Studiums in
Wuppertal betrat ich als 18-jähriger zum ersten Mal die schwule Subkultur.
Als ich allerdings merkte, dass die nur auf mein Gesicht und auf meinen
Arsch abfahren, dachte ich mir, dass sie, wenn sie nur Sex wollen, auch
ruhig dafür bezahlen sollen"
Daran hatte er sich gewöhnt, denn obwohl er nur 750 DM BAFöG erhielt, machte ihm diese "Arbeit" wesentlich mehr Spaß, als in den Semesterferien zu Kellnern. *
Prostitution ist eine Dienstleistung
in Sachen Sex. Das Interesse der Öffentlichkeit am "Horizontalen Gewerbe"
beruht in erster Linie auf Nachmittags-Talkshows und der Boulevardpresse.
Tabubruch auf der einen und
Voyerismus auf der anderen Seite?! - Was passiert wirklich in den Betten
und Hotelzimmern der studentischen Stricher?
Marcus: "Der meiste Sex mit Freiern ist recht bürgerlich. Gummi, Lack, `Natursekt`, Leder oder Fellatioworkshops interessieren mehr die Medien, als dass sie die Kunden wirklich interessieren. Den großen Dildo übrigens, den ich vor einem Jahr gekauft habe, hat bis heute noch nicht ein einziger benützt."
Wenn gewrblicher Sex schon den Großteil der Freizeit zwischen Seminaren und Vorlesungen in Anspruch nimmt, wie steht es dann mit dem Sex mit dem Freund, mit dem rein privaten Sex?
Tobias (22): "Mein privater Sex
funktionirte genau so wie mit Freiern. Die gleichen Handgriffe, die gleichen
Körperlagen.
Ich habe mich dabei erwischt,
wie ich meinen Privatsex genau so technisch absolvierte. Einfach weil ich
durch meinen Job darauf trainiert war, Sex ohne Lust zu haben; das war
ein regelrechter Schock."
Das Risiko, bei diesem Job auf Dauer seine Persönlichkeit nicht vor Schaden bewahren zu können, ist immer gegeben. Man jongliert mit Kettensägen auf einem Drahtseil ohne Netz und doppelten Boden in schwindelnder Höhe und nicht wenige stürzen dabei ab.
*) Genauere Informationen bei
Herrn Rektor Ronge
Es war eine stürmische Herbstnacht auf den Hügeln in der oberen Südstadt auf dem von der Abendsonne beschienenen Grifflenberg.
So geschah es denn also, dass wir uns mal wieder zur Referentenwahl eintrafen.
Es erschienen die üblichen Verdächtitigen : Heinrich Christiansen, Renate de la Gue, Marcy Bardolatzi, Luca I, Bruno der Bomber.
Schliesslich begrüssten
wir unseren Gastgeber Benno Bazzille.
Dann wurde gewählt :
Rene wurde mit 7 Stimmen zum
Referenten gewählt,
Marc wurde mit 6 Stimmen zum
Co-Referenten gewählt,
und sogleich vom Vorstand beglückwünscht!!!
Wir danken für eure rege Wahlbeteiligung.
Es begab sich nun also zu der
Zeit, dass ich mit meinem Freund von der Mahnwache am Neumarkt zurück
kam, nach dem wir noch einen Auklang des Abends mit einem sehr netten Musiker
hatten.
Wir gönnten uns also an
einem Stand am Döppersberg noch zwei Büchsen Bier um dann schließlich
den Bus in Richtung unserer Wohnung zu nehmen.
Wir schnappten uns dann den ersten
Bus, welcher zu unserer großen Freude auch alsbald abfuhr.
Hinter uns saß ein Heteropärchen,
was ja für gewöhnlich nichts Schlimmes ist. Nun ja, wir saßen
jedenfalls knutschender Weise, wie es bei frisch Verliebten nun mal so
üblich ist, neben einander und hatten uns lieb.
Auf ein Mal hörten wir einen
lauten Protest von hinten. Wenn ich mich an den Originalton richtig erinnere,
war er sehr agressiv und beinhaltete im Grunde folgendes: "Ihr
scheiss Schwuchteln, könnt ihr nicht wo anders knutschen!!"
Zum Glück beruhigte ihn
seine Freundin und er ließ uns in Ruhe, da auch wir unsere liebevollen
Aktivitäten eingestellt hatten, und uns statt dessen über den
Geschmack diverser Biersorten unterhielten.
Gedanken macht mir nur, dass der betreffende ausgerechnet bei den Studentenwohnheimen ausgestiegen ist und das mit eimen Blick, der mich hätte töten können, wenn Schwulenreferenten gegen so etwas nicht immun wären.